Sowohl in Hessen als auch in Schleswig-Holstein sind Ende Januar 2023 in den Landtagen Gesetzesanträge zur generellen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge von den Regierungskoalitionen abgeblockt worden. In beiden Bundesländern können die Kommunen nun weiter selbst entscheiden, ob sie noch Straßenausbaubeiträge erheben. In der Regel führt das dazu, dass Einwohner finanzstarker Kommunen nicht mehr zahlen müssen und Einwohner finanzschwächerer Gemeinden weiter zur Kasse gebeten werden.
Hessen:
Nach der vorangegangenen Sitzung des Innenausschusses war das Votum des Landtags am 26. Januar 2023 keine Überraschung mehr. Für einen Gesetzentwurf der Linken zur Abschaffung der Straßenbaubeiträge in Hessen stimmte neben dem Antragssteller lediglich die ebenfalls in der Opposition stehende SPD (insgesamt 37 Stimmen). Dagegen votierten die Fraktionen von CDU, Grünen und FDP (72 Stimmen). 10 Enthaltungen kamen von der AfD.
Bekanntlich können in Hessen die Kommunen seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2018 selbst entscheiden, ob sie Straßenausbaubeiträge von den Anwohnern erheben oder nicht. Auch wiederkehrende Beiträge sind möglich. Das Ergebnis ist ein Flickenteppich. In 181 von insgesamt 423 Städten und Gemeinden gibt es mittlerweile keine Straßenausbaubeiträge mehr (Stand 13. Juni 2022). Von den verbliebenen erheben 25 Gemeinden wiederkehrende Beiträge.
Dazu erklärte VDGN-Vizepräsident Lothar Blaschke in einer zur Anhörung erbetenen Stellungnahme unter anderem: Eine Landesregierung dürfe nicht zusehen, wie mit der Verlagerung der Entscheidungsbefugnis auf die Kommunen der Grundsatz die Belastungsgleichheit verletzt werde. Solange die bisherige Regelung in Hessen bestehen bleibe, solange werde es Verlierer geben, die Ihren Glauben an eine bürgernahe und gerechte Landespolitik verlieren. So wie der VDGN hatte eine deutliche Mehrheit der Experten in den Stellungnahmen die derzeitigen Regelungen in Hessen hart kritisiert.
Andreas Schneider von der AG Straßenbeitragsfreies Hessen konstatierte nach der Abstimmung im Landtag „Realitätsverweigerung und Beratungsresistenz der schwarzgrünen Regierungskoalition mitsamt einer inkompetenten FDP“.
Schleswig Holstein:
Die Opposition ist mit dem Versuch gescheitert, per Gesetz die Beteiligung von Bürgern an Ausbaukosten für Straßen in Schleswig-Holstein abzuschaffen. CDU und Grüne lehnten am 25. Januar 2023 im Landtag in namentlicher Abstimmung den Gesetzentwurf von SSW, FDP und SPD ab.
In Schleswig-Holstein können die Kommunen nun weiter selbst entscheiden, ob sie noch Straßenausbaubeiträge erheben. Einen entsprechenden Beschluss hat der Landtag des damals noch schwarz-grün-gelb regierten Bundeslandes am 14. Dezember 2017 ohne Gegenstimmen gefasst. Laut Recherchen der Kieler Nachrichten verzichten bereits etwa 80 Prozent der Kommunen auf das Erheben von Straßenausbaubeiträgen.
In seiner Rede vor dem Landtag erklärte der erklärt der kommunalpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Bernd Buchholz: „CDU und Grüne verpassen heute die einmalige Chance, eine Ungerechtigkeit in diesem Land endgültig zu beseitigen. Der Flickenteppich, der dadurch entsteht, dass die eine Kommune Ausbaubeiträge erhebt und die andere nicht, beinhaltet die Frage, ob Geldausgaben für eine eigentlich gemeinschaftliche Nutzung von Straßen denjenigen allein zu überlassen ist, die zufälligerweise in einer Gemeinde und einer Straße Anlieger sind, in der diese Beiträge erhoben werden.“ (Die vollständige Rede finden Sie hier.)
Auch Beate Raudies von der SPD erklärte: „Wir können den Menschen nicht erklären, dass sie teilweise tausende Euro für die Sanierung von Straßen zahlen müssen, während das im Nachbarort und manchmal sogar auf der anderen Straßenseite nicht der Fall ist. Das ist ungerecht! Damit wird unser Land gespalten. Und dem politischen Ehrenamt erweisen Sie einen Bärendienst! Denn Fakt bleibt: eine echte Wahlmöglichkeit hatten und haben nur die Kommunen, die ohnehin über eine gute Finanzausstattung verfügen. Finanzschwächere Kommunen waren und sind wohl auch künftig gezwungen, ihre EinwohnerInnen durch Straßenausbaubeiträge zu belasten. Das war und ist politische Zechprellerei und wird dazu führen, dass sich die Schere zwischen armen und reichen Kommunen weiter öffnet.“ (Die vollständige Rede finden Sie hier.)
Lars Harms vom Südschleswigsche Wählerverband (SSW) sagte abschließend: Wir brüsten uns regelmäßig damit, dass in Schleswig-Holstein die glücklichsten Menschen wohnen. Ich glaube, die glücklichsten Menschen leben da, wo keine Straßenausbaubeiträge erhoben werden. Wo keine finanzielle Härte aufgrund von kommunalen Verkehrsentscheidungen drohen. Wo eine Landesregierung ihre Bürgerinnen und Bürger auffängt und eine gesetzliche Grundlage schafft, damit niemand sich in dieser Situation solch existenzielle Sorgen machen muss.“ (Die vollständige Rede finden Sie hier.)