Wiederkehrende Beiträge

Wiederkehrende Beiträge I

Patentlösung wiederkehrende Beiträge oder Infrastruktursteuer?

In einigen Bundesländern gibt es wiederkehrende Beiträge. In Thüringen wurde ein Bürgerbegehren dazu gestartet.

Ein Vorschlag darin lautet, eine Infrastruktursteuer mit stetig wiederkehrenden Beiträgen einzurichten, die der Grundstücksbesitzer statt der Straßenausbaubeiträge zu zahlen hat. Mit dem Ziel, das diese Steuer auf die Mieter umgesetzt werden darf. Argument: Es träfe alle Bürger und wäre damit gerecht.

Dazu folgendes:

Wiederkehrende Beiträge, wie eben eine Infrastruktursteuer, werden deshalb riskant, weil eine immerwährende Belastung mit niedrigem Stand vom Grundstücks-besitzer wenig bedrückend, ja teilweise erleichtert wahrgenommen wird. Eine kleine zusätzliche Dauerbelastung wird besser als ein Beitragsbescheid von z.B. 8.000 € gesehen. Sozusagen ein kleineres Übel.

Aber zusammengerechnet über die Jahre wird sich erfahrungsgemäß ein erheblich höherer Betrag ergeben, als bei einer einmaligen Zahlung. Sehr willkommen, um den Bürger unbemerkt tiefer in die Tasche zu greifen als bisher, die Ausmaße der Straßenbauarbeiten willkürlich zu bestimmen, die Informationspflicht zu umgehen und jegliche Kontrollmöglichkeit auszuschalten.

Erfahrungsgemäß wird die Belastung ausschließlich beim Grundstücksbesitzer bleiben. Denn die Politik wird kaum einer  Umsetzung von umgerechneten Straßenausbaubeiträgen auf die Mieten zustimmen. Das ist politisch unwahr-scheinlich. Also bleibt es beim kleinen Häuslebauer hängen.

Andersherum:

Die wirklichen Vorteile intakter Straßen ergeben sich grundsätzlich nicht für die Besitzer der Einfamilienhäuser und deren Mieter, sondern für die rollende Wirtschaft, alle mit immer größer werdenden Tonnagen. Der Hausbesitzer hat keine nachweislich wirtschaftlichen Vorteile, soll aber dafür bezahlen.

Außerdem:

Mineralölsteuer, Kfz-Steuer, Maut, Grundsteuer verschwinden und werden für alles Mögliche verwendet, aber nicht nachweislich für Straßen.

Die Straßenausbaubeiträge sind ferner reine Ländersache. Baden-Württemberg und die Stadtstaaten haben keine Straßenausbaubeiträge, aber jahrzehntelang befahrbare Straßen. Wieso funktioniert es dort? Und warum übernimmt man das nicht einfach?

Überdies hat kein europäisches Land Straßenausbaubeiträge. Da erhebt sich die Frage, ob diese überhaupt europarechtskonform sind. Wenn nicht, wäre es eine neu erfundene Infrastruktursteuer erst recht nicht.

Im Hintergrund wäre zu prüfen, warum die Kommunen beratungsresitent (Originalton eines vernünftigen Bürgermeisters) sind. Was ist, wenn nicht die Beamtenträgheit den grundhaften Ausbau verursacht, sondern vielmehr der hohe finanzielle Aufwand (580.000 € grundhaft – dagegen 80.000 € zeitnah professionell) dazu dient, die Beschäftigungszahlen und das Steueraufkommen der Kommune aufzubessern und das ganz unauffällig durch die Grundstücksbesitzer finanzieren zu lassen?

Also:

Diese neue Steuer ergäbe ein unübersichtliches Konstrukt, nicht überprüfbar und verschwindet irgendwo im Haushalt. Der Bürger hat keinen Ansatz mehr zur Klage. Unmäßigkeit und Korruption haben freie Bahn. Paul Kirchhof kämpft um Steuerdurchsichtigkeit, dieses wäre genau das Gegenteil.

Straßenausbaubeiträge sind deshalb grundsätzlich durch das normale Steueraufkommen zu finanzieren. Wir müssen neue Denkweisen entwickeln und hellwach bleiben, um die versteckten Angriffe auf unsere mehrfach versteuerten Ersparnisse zu schützen und verhindern, dass durch neue komplizierte Steuersysteme die mögliche Bürgerbeteiligung zielstrebig verringert wird.

Zur Klage gegen wiederkehrende Beiträge, zwei Verfassungsbeschwerden, siehe nächster Beitrag.

Wiederkehrende Beiträge II

Dem Bundesverfassungsgericht liegen zwei Verfassungsbeschwerden vor

Erste Verfassungsbeschwerde:

Nachdem die „Initiative faire Straßenbaufinanzierung“ (IfS) in Wentorf bei Hamburg, unterstützt vom „Allgemeinen Verein für gerechte Kommunalabgaben in Deutschland“ (AVgKD), den ordentlichen Rechtsweg ausgeschöpft hat, konnte am 25.07.2011 wegen der willkürlichen und grundrechtswidrigen Erhebung von Straßenausbaubeiträgen Verfassungsbeschwerde erhoben werden.

Diese Verfassungsbeschwerde wurde zum 7. Januar von der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung zugelassen. Die Entscheidung ist

unanfechtbar.

Nachzulesen unter Bundesverfassungsgericht 1 BvR 1892/11 vom 07.01.13

Also gilt es neue Wege und Argumente zu finden und beide gibt es.

Zweite Verfassungsbeschwerde:

Die Klage gegen wiederkehrende Beiträge und um Gleichbehandlung wurde von dem Verwaltungsgericht Koblenz erhoben. Dieses hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage nach der Rechtmäßigkeit

der Vorschriften weiter gereicht und damit das Verfahren wesentlich verkürtzt.

Die erste Verfassungsbeschwerde kritisiert:

  1. dass die Straßenausbaubeitragssatzung eine unsachgemäße Differenzierung zwischen Straßennutzern vornimmt, die ein Grundstück an der ausgebauten Straße besitzt, und den übrigen Straßennutzern. Für die in Frage stehende Sache der „gerechten“ Weiterbelastung der Straßenausbaukosten gemäß der Straßennutzung bzw. -Abnutzung ist das Grundstückseigentum irrelevant. Als Differenzierungskriterium käme – wenn seine Erfassung und Zurechnung denn praktikabel möglich wäre – nur der Nutzungsgrad der Straßennutzer in Frage;
  1. dass die Voraussetzungen für eine abgabengerechte Erhebung nicht erfüllt sind, die lauten:

Allgemeinheit: von allen Straßennutzern als Kostenverursacher müssten Beiträge erhoben werden;

Gleichmäßigkeit: gleichartige abgabenrechtlich relevante Sachverhalte wären gleich zu behandeln;

Angemessenheit: alle Straßennutzer müssten relativ gleich belastet

werden;

  1. dass die objektive Erkenntnis der Finanzwissenschaft missachtet wird, dass es sich beim örtlichen Straßennetz um „öffentliche Güter“ handelt, deren Eigenschaften eine Vorteilszurechnung und damit eine Beitragserhebung (Äquivalenzprinzip) nicht zulassen;
  1. dass von den Verwaltungsgerichten durch sachlich falsche und logisch unzulässige Vergleiche zwischen Grundstücken an Ausbaustraßen und Grundstücken an vom Ausbau nicht betroffenen Straßen vermeintliche, aber nicht wirklich vorhandene Vorteile konstruiert werden, um Beiträge rechtfertigen zu können;
  1. dass die Verfassungssicht der Staatsrechtler missachtet wird, die das Straßenangebot als „allgemeine Staatsaufgabe“ betrachten, die aus Steuern zu finanzieren ist.

Das Ergebnis der Missachtung der Kritikpunkte durch die Verwaltungsgerichte ist eine willkürliche Beitragserhebung für den Straßenausbau. Das Bundesverfassungsgericht kann nun die jahrzehntelange falsche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte korrigieren.

Das Aktenzeichen der Verfassungsbeschwerde lautet 1 BvR 1892/11

Weitere Informationen über die Argumentationen: siehe Archiv

Die zweite Verfassungsbeschwerde:

Die Pressemitteilung des VerwaltungsgerichtsKoblenz schildert die Beschwerde eingängig:

Beschluss vom 1. August 2011

Das Verwaltungsgericht Koblenz hält §§ 10, 10a Kommunalabgabengesetz Rheinland-Pfalz (KAG), die gesetzliche Grundlage für die Erhebung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge, für verfassungswidrig und hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob diese Vorschriften verfassungsgemäß sind.

Nach § 10a Abs. 1 KAG können Gemeinden durch Satzung bestimmen, dass anstelle der Erhebung einmaliger Beiträge (§ 10 KAG) die jährlichen Investitionsaufwendungen für Verkehrsanlagen nach Abzug des Gemeindeanteils als wiederkehrende Beiträge auf die beitragspflichtigen Grundstücke verteilt werden. Nach § 10a Abs. 1 Satz 2 KAG kann in der Satzung u.a. bestimmt werden, dass sämtliche zum Anbau bestimmte Verkehrsanlagen des gesamten Gebiets oder einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile einer Gemeinde eine einheitliche öffentliche Einrichtung (Einheit) bilden. Von dieser Möglichkeit hat die Ortsgemeinde Staudernheim Gebrauch gemacht und die zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen ihres gesamten Gemeindegebiets als eine Einheit ausgewiesen. Entsprechend zog sie nach Erlass einer Ausbaubeitragssatzung die Anlieger zu einem wiederkehrenden Beitrag für das Jahr 2007 heran. Hiermit waren verschiedene Anlieger nicht einverstanden und griffen die Beitragsbescheide an.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschloss das Gericht, die landesrechtlichen Bestimmungen einer verfassungsrechtlichen Normenkontrolle unterziehen zu lassen. Zur Begründung führte es u.a. aus, dem Land fehle die Gesetzgebungskompetenz zur Einführung des neuen Anlagebegriffs, soweit dadurch die Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen zu kommunalen Einrichtungen gemacht würden. Ferner würde Bundesrecht missachtet; bei der Erweiterung des Anbaustraßennetzes durch die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage kollidiere das Ausbaubeitragsrecht mit dem Erschließungsbeitragsrecht und dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Außerdem verstoße der Begriff der „einheitlichen öffentlichen Einrichtung“ in § 10a KAG gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes.

Durch das Gesetz würden die Kommunen dazu ermächtigt, alle von dem Anbaustraßennetz erschlossenen Grundstücke beitragspflichtig zu machen, obwohl die Unterhaltung eines Verkehrsnetzes in die allgemeine Straßenbaulast der Gemeinden falle. Die Straßengesetze sähen aber eine Kostenabwälzung auf die Anlieger nicht vor. Zudem sei es mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normenwahrheit und Normenklarheit nicht zu vereinbaren, dass alle Anbaustraßen einer Gemeinde eine „einheitliche“ Einrichtung darstellten.

Der Gleichheitssatz sei ebenfalls verletzt. Ein Beitrag dürfe nur erhoben werden, wenn der Beitragsschuldner durch eine Maßnahme einen Sondervorteil habe. Nach der amtlichen Begründung liege der besondere Vorteil darin, dass die erschlossenen Grundstücke an dem überörtlichen gesamten Verkehrsnetz partizipieren könnten. Das Einzige, was dieses Netz aber tatsächlich ausmache, sei die Abgrenzung zum Außenbereich. Wenn aber die Erreichbarkeit eines Grundstücks über jede beliebige Anbaustraße genügen solle, dann bestehe der Vorteil nur in der Teilnahme am innerörtlichen Verkehr, der im Rahmen des Gemeingebrauchs jedem Einwohner kostenlos gestattet sei. Eine andere Auslegung des Begriffs der öffentlichen Einheit sei nicht möglich. Eine solche allgemeine Teilnahme könne keinen Sondervorteil für die Anlieger begründen, welche die Erhebung eines Beitrags rechtfertige.