Leserbrief in der „Neue Westfälische“ v. 24. Jan. 2023 (dort leicht gekürzt)
Ende gut, alles gut! So könnte man denken, nachdem die Anlieger der Neißer und nun auch der Fleggestraße über ihre Bescheide zu Straßenausbaubeiträgen (‚Strabs‘) informiert wurden. Für jeden einzelnen musste die Espelkamper Stadtverwaltung mühevoll ausrechnen, wie hoch die eigentlich zu zahlenden Summen wären: ‚Null-Euro-Bescheide‘ sozusagen, denn die Beiträge zahlt ja nun das Land NRW. Wirklich alles gut also? Nun, jedenfalls im Mathematikunterricht muss nicht nur das Ergebnis, sondern auch der Rechenweg stimmen: • Den beitragspflichtigen Ausbau hatte die Stadt im Herbst 2019 beschlossen. Bei den Anliegerversammlungen gab es Unmut. Ein Fraktionsvorsitzender im Stadtrat: „Wozu die Anlieger fragen? Wir müssen sowieso entscheiden!“ Unsere ‚Bürgeranträge‘ gemäß § 24 GO-NRW im Februar 2020 baten um eine Einladung ins Rathaus und einen ergebnisoffenen Dialog auf Augenhöhe mit der Stadtpolitik. Das hatten 77 Anlieger unterschriftlich unterstützt, hatte der Stadtrat im Sommer 2020 dennoch einstimmig abgelehnt. Zwei Offene Briefe an den damaligen NRW-Ministerpräsidenten Laschet, einer im August 2020 und der nächste exakt ein Jahr später, blieben ohne Antwort. Immerhin, zum Jahresende 2021 reagierte das Landesbauministerium; es habe doch bereits eine Antwort gegeben; dieser falsche Vorwurf beruhte auf einer Datumsverwechslung! Zum Inhalt nichts! • Im Herbst 2019 hatte eine Volksinitiative über 470 000 Unterschriften für die Abschaffung der Straßenbaubeiträge beim Landtag vorgelegt, nicht ohne Teilerfolg. Ab 1.1.2020 galt: Für nach dem 1.1.2018 beschlossene Straßenausbauten übernimmt das Land NRW die Hälfte der Anliegerbeiträge, wozu ein Landesförderprogramm mit jährlich 50 MEUR aufgelegt wird; allerdings bleibt das Kommunalabgabengesetz unverändert; Kommunen müssen die Beiträge also weiterhin erheben und Anlieger sie – nun hälftig – zahlen. Zwar hatten Berechnungen des Bundes der Steuerzahler ergeben, dass die komplizierte Beitragserhebung unverhältnismäßig aufwändig ist und diese die Kommunen im landesweiten Durchschnitt (mglw. mehr als) die Hälfte dessen kostet, was sie aus den Beiträgen einnehmen. Mit dem Geld des Förderprogramms hätte die Landesregierung also bereits damals die Beitragspflicht der Anlieger aufheben sowie die Erhebungspflicht der Kommunen abschaffen und sie ggf. sogar kostenneutral auszahlen können. Stattdessen hat sie das Bürokratiekostenargument ohne besseres Wissen in den Wind geschlagen. • Vor etwa einem Jahr gab es neue Bewegung. Die Landes-FDP hatte im Januar 2022 überraschend beschlossen, ‚Strabs‘ abschaffen zu wollen. Wegen der Landtagswahl am 15. Mai 2022 ergab sich Zugzwang auch für den CDU-Koalitionspartner. Im März verkündete die Landesregierung die Absicht einer gesetzlichen Abschaffung auch in NRW. Zunächst würden die Anliegerbeiträge vom Land komplett übernommen; die Förderrichtline dafür erschien kurz vor der Landtagswahl und gilt nun auch für Neißer und Fleggestraße. Bis Ende Juni 2022(!) werde dem Landtag ein Konzept zur endgültigen Abschaffung vorgelegt. • Zwar hat die schwarz-grüne Landesregierung die Absicht der ‚Strabs‘-Abschaffung bekräftigt. Das vor der Wahl versprochene Konzept gibt es aber bis heute nicht. Vielmehr verkündete Frau Ina Scharrenbach als immer noch zuständige Landeskommunalministerin im November 2022, das Thema habe keine Priorität (mehr). Bürokratiekosten, anders gesagt, die wirtschaftliche Effizienz staatlichen Handelns, sind demnach weiterhin nicht von Interesse! Womöglich wird der (inzwischen noch gesteigerte) Bürokratieunsinn mit landesweit jährlichen Kosten von sicher mehr als 50 MEUR bis Ende 2026 fortgesetzt; so lange gilt nämlich die Förderrichtlinie! Übrigens, im November 2022 hat die Stadt Espelkamp ihre Anliegerbeitragssätze mal eben verdoppelt; die zahlt ja nun das Land. Fazit: Was in der Mathematik gilt, sollte die Politik beherzigen! Dass wir als Anlieger in Neißer und Fleggestraße profitieren, lässt nicht vergessen, wie man mit uns Bürgern vor allem in Espelkamp, aber auch in Düsseldorf umgesprungen ist: unehrlich und unverfroren. Das Wahlversprechen zur schnellen gesetzlichen Abschaffung hat die Landes-CDU sang- und klanglos kassiert. Für diese politische Flickschusterei und die Vergeudung beträchtlicher Steuergelder bezahlen kommunale und Landessteuerzahler! Es stimmt also nicht nur nicht der Weg, sondern nicht einmal das Ergebnis! Armin Laschet hatte im Sommer 2021 formuliert: „Gutes Regieren ist Voraussetzung für Vertrauen“! Aber wie soll man solch einem Regieren vertrauen?
Karin Ziebeker, Espelkamp Wilhelm Lömker, Espelkam