Straßenausbaubeiträge bundesweit ein Auslaufmodell

29.02.2024

Deutschlandweit werden die Straßenausbaubeiträge derzeit vollständig oder zumindest teilweise abgeschafft. Dafür haben sich VDGN, VSSD und AVgKD in den vergangenen Jahren mit aller Kraft eingesetzt. Am 28. Februar 2024 hat nun auch der Landtag von Nordrhein-Westfalen einen entsprechenden Beschluss gefasst.

Somit sind es jetzt neun Bundesländer, in denen es keine Straßenausbaubeiträge mehr gibt.  Es bleiben fünf Bundesländer, in denen die Gemeinden mehr oder weniger selbst entscheiden können, ob sie diese Beiträge erheben, und zwei Bundesländer, in denen es spezielle Regelungen wie etwa die die ausschließliche Erhebung wiederkehrender Beiträge gibt.
Volksinitiativen zur Abschaffung der Beiträge waren bisher in Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen erfolgreich.
Vor nur einigen Jahren gab es noch ein gänzlich anderes Bild. Damals wurden lediglich in Baden-Württemberg und Berlin keine Straßenausbaubeiträge erhoben. Und es waren noch elf Bundesländer, in denen die Kommunen de facto verpflichtet waren, diese Beiträge einzutreiben. In drei Ländern konnten die Gemeinden selbst darüber entscheiden. Das verdeutlicht die enorme Dynamik der Entwicklung.

Im Folgenden geben wir einen Überblick über die aktuelle Situation in den Bundesländern:

Die neun Bundesländer ohne Straßenausbaubeiträge.

1. In Baden-Württemberg gab es sie noch nie.
In den acht Bundesländern Berlin, Hamburg, Bayern, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wurden sie abgeschafft.
2. Berlin strich 2012 als erstes Bundesland die Beiträge.
3. In Hamburg hat die Bürgerschaft am 9. November 2016 die Abschaffung beschlossen.
4. In Bayern wurden nach einer erfolgreichen Volksinitiative  die Straßenausbaubeiträge am 14. Juni 2018 per Landtagsbeschluss abgeschafft. Als Stichtag wurde rückwirkend der 1. Januar 2018 festgelegt. Maßgebend ist dabei die Festsetzung des Bescheides. 
5.Brandenburg: Eine breite Mehrheit von SPD, Linke, CDU und AfD stimmte am 19. Juni 2019 im Potsdamer Landtag dafür, dass die anteiligen Kosten für alle seit dem Stichtag 1. Januar 2019 abgeschlossenen Baumaßnahmen (Bauabnahme durch die Gemeinde) nicht mehr von den Kommunen auf Grundstückseigentümer umgelegt werden. Stattdessen werden sie vom Land übernommen. Für eine Volksinitiative zur Abschaffung der Beiträge – initiiert von den Freien Wählern –  wurden zuvor 108.000 Unterschriften gesammelt und am 8. Januar 2019 an den Landtag übergeben. Das geforderte Quorum lag bei 20.000 Unterschriften 
6. In Mecklenburg-Vorpommern hat der Landtag am 24. Juni 2019 die Erhebung von Straßenbaubeiträgen für alle Straßenbaumaßnahmen abgeschafft, die ab dem Stichtag 1. Januar 2018 begonnen worden sind (erster Spatenstich).  Für die Volksinitiative waren 44.270 Unterschriften gesammelt worden. Das Quorum lag bei 15.000.
7. In Thüringen hat der Landtag am 12. September 2019 einstimmig – bei Enthaltung der CDU – die Abschaffung beschlossen. Die Beiträge wurden rückwirkend zum Stichtag 1. Januar 2019 abgeschafft. Maßgebend ist das Ende der Baumaßnahme (letzte Unternehmensrechnung). Alle Ausbaumaßnahmen, die bis zu diesem Zeitpunkt beendet wurden, können innerhalb einer Vier-Jahres-Frist noch abgerechnet werden. Zuvor hatten zehntausende Thüringer „Rote Karte für Straßenausbaubeiträge“ an die Staatskanzlei geschickt – eine Aktion die der VDGN gemeinsam mit der Bürgerallianz Thüringen initiiert hat.
8. In Sachsen-Anhalt wurden die Straßenausbaubeiträge am 15. Dezember 2020 abgeschafft. Das Gesetz trat rückwirkend zum 1. Januar 2020 in Kraft. Maßgebend für diesen Stichtag ist das Ende der Baumaßnahmen, somit das Entstehen der Beitragspflicht, das heißt der Zeitpunkt, an dem die geprüfte Schlussrechnung für die Baumaßnahme vorliegt.
9. In Nordrhein-Westfalen hat der Landtag am 28. Februar 2024 dem Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zugestimmt. Bis zum darin vorgesehenen Erhebungsverbot gilt als Übergangslösung weiterhin eine Förderrichtlinie. Laut dieser übernimmt das Land auf Antrag der Kommunen 100 Prozent der Kosten für Straßenausbaumaßnahmen, die ab dem Stichtag 1. Januar 2018 beschlossen wurden. Fehlt ein solch gesonderter Beschluss, gilt als Stichtag das Datum, an dem die Straßenausbaumaßnahme erstmals im Haushalt des Jahres 2018 steht.

In fünf Bundesländern können die Kommunen selbst entscheiden, ob sie Straßenausbaubeiträge erheben. Das heißt, im jeweiligen Kommunalabgabengesetz (KAG) gibt es eine Kann-Regelung. Eine vollständige Abschaffung ist überall in der Diskussion.

1. Schleswig-Holstein: In Schleswig-Holstein können die Kommunen selbst entscheiden, ob sie noch Straßenausbaubeiträge erheben. Einen entsprechenden Beschluss  hat der Landtag des damals noch schwarz-grün-gelb regierten Bundeslandes am 14. Dezember 2017 ohne Gegenstimmen gefasst. Die SPD enthielt sich, weil sie noch einen Schritt weitergehen will. Sie tritt für eine komplette Abschaffung der Beiträge ein. Laut Recherchen der Kieler Nachrichten verzichten bereits etwa 80 Prozent der Kommunen auf das Erheben von Straßenausbaubeiträgen.
2. Hessen: In Hessen hat die schwarz-grüne Koalition im Mai 2018 einem FDP-Gesetzentwurf zugestimmt, wonach Kommunen nicht mehr verpflichtet sind, ihre Bewohner an den Straßenausbaukosten zu beteiligen. SPD und Linke fordern hingegen eine generelle Abschaffung der Beiträge. 
In 181 von insgesamt 423 Städten und Gemeinden gibt es mittlerweile keine Straßenausbaubeiträge mehr (Stand 13. Juni 2022).  Eine genaue Aufstellung dazu finden Sie hier. Von den verbliebenen erheben 25 Gemeinden wiederkehrende Beiträge.
Einer Online-Petition an den Landtag, die Beiträge abzuschaffen, hatten sich im Jahr 2019 über 29.000 Bürger angeschlossen. Das Quorum lag bei 15.000. Zahlreiche Bürgerinitiativen wirken unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft „Straßenbeitragsfreies Hessen“ zusammen.
3. Niedersachsen: Die rot-grüne Koalition in Niedersachsen hält noch an der Kann-Regelung fest. Die FDP und Teile des Landesverbandes der CDU wollen eine komplette Abschaffung. An der Basis ist die Abschaffung ein großes Thema. Über 80 Bürgerinitiativen haben sich im Niedersächsischen Bündnis gegen Straßenausbaubeiträge (NBgS) zusammengeschlossen.
4. Sachsen: Im schwarz-grün-rot regierten Sachsen gilt die Kann-Regelung unter Berufung auf ein grundsätzliches Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bautzen vom 31. Oktober 2007 (Atz 5 B 522/06). Demnach „sind diejenigen Gemeinden in ihrer Entscheidung zur Erhebung frei, deren Leistungsfähigkeit nicht gefährdet ist.“ Im Ergebnis dessen hoben viele sächsische Kommunen ihre Straßenausbaubeitragssatzungen auf und zahlten teilweise sogar alle bereits geflossenen Beiträge zurück. Auch in der Stadt Leipzig wurden die Beiträge jetzt abgeschafft.
5. Saarland: Die 52 saarländischen Städte und Gemeinden können selbst entscheiden, ob sie von Grundstückseigentümern Beiträge für den Straßenausbau zu erheben. Die schwarz-rote Landesregierung hat zu Jahresbeginn 2020 beschlossen, dass es leichter werden soll, wiederkehrende Beiträge zu erheben. Das ist seit 2001 zwar generell möglich, aber wegen eines komplizierten Abrechnungssystems machen die Kommunen davon bisher kaum Gebrauch.
Im Jahr 2021 hat der Bund der Steuerzahler eine Umfrage unter den 52 saarländischen Städten und Gemeinden durchgeführt; davon haben  46 Kommunen geantwortet. Das Ergebnis: Rund 65 Prozent setzen auf einmalige Ausbaubeiträge, nur 11 Prozent auf wiederkehrende Beiträge (WKB) und 24 Prozent erheben gar keine Straßenausbaubeiträge.

Zwei Bundesländer mit speziellen Regelungen 1. Rheinland-Pfalz: In Rheinland-Pfalz wurden die Einmalbeiträge für den Straßenausbau nach dem Willen der Ampelkoalition abgeschafft. Stattdessen sollen die Kommunen ab 2024 ausschließlich wiederkehrende Beiträge erheben. Weiterhin geben soll es Einmalbeiträge für wenige Ausnahmen: das Anlegen von Park- und Grünflächen sowie sehr kleine Gemeinden.  Die in der Opposition stehende CDU bleibt bei ihrer Forderung, die Straßenausbaubeiträge vollständig abzuschaffen.
2. In Bremen werden keine Straßenausbaubeiträge erhoben, im Gegensatz dazu jedoch in Bremerhaven auf der Grundlage eines Ortsgesetzes.